FK – Ein grauer Tag
Als FK erwacht ist es stürmisch draußen. Er kann hören, wie schwerer Herbstregen auf das Dachfenster prasselt. Verschlafen setzt er sich im Bett auf und tastet im Halbdunkel nach dem Lichtschalter. Trübe flammt die Glühbirne auf und taucht den Raum in ein fahles Licht.
Seine Augen fallen auf einen Radiowecker, den er sich neben das Bett gestellt hat. Er hat ihn kürzlich in einem der vielen, verlassenen Räume gefunden, die auf seinem Stockwerk liegen. Seit seine Schulzeit vorbei ist, seit diese Phase begonnen hat, die nun schon ewig anzudauern scheint – die Phase der sich mehr und mehr verflüssigenden Zeit – sind einige Räume dazugekommen.
Der Radiowecker ist stehengeblieben. Zwar Blinken die roten Digitalziffern (88:88), doch er nützt ihm nun nichts mehr. Wütend kickt er ihn durch das Zimmer.
Dann wendet er sich seinem wichtigsten Besitz zu: Seinem Computer. Auf Knopfdruck erwachend die Lüfter zum Leben; ein lautes Heulen macht sich breit. FK beugt sich ein wenig hinab und schnüffelt an der Rückseite des PCs – da ist die Quelle des vertrauten Geruchs, den er so liebt; der Geruch von altem Staub und heißem Plastik.
Er wendet sich ab und verlässt das Zimmer, um nach unten zu gehen. Es ist das erste Mal in zwei Tagen. Oder sind es drei? Unwichtig.
Mit den leer stehenden Zimmern will er sich nicht abgeben. Groß ist die Faszination, die von ihnen ausgeht, aber oft hat er das Gefühl, dass sie auch gefährlich sind.
Vor kurzem (Tage? Wochen?) war ein neues Zimmer aufgetaucht, direkt hinter der Biegung des langen Ganges, den er nun durchschreitet und der täglich länger zu werden scheint. In besagtem Zimmer war ein brauner Sessel gestanden – und ein sehr alt aussehender Computer. Leider hatte er nicht funktioniert. An der Wand war ein Kalender von 1989 gehangen. Auf dem Teppichboden war eine seltsame, braune Flüssigkeit verspritzt, eingetrocknet.
FK hatte sich daran gemacht, den PC zu untersuchen – wer wusste, was sich auf der Festplatte verbarg? – aber leider war er nicht hochgefahren. Er wollte den Raum verlassen, aber dann hatte er gesehen, dass die Tür nicht mehr dort war, wo er hereingekommen war. Sie war auf eine andere Seite des Raumes gewandert. Mit einem unguten Gefühl hatte er den Raum verlassen.
Er hatte wieder zu seinem Zimmer zurückgefunden, aber es hatte eine gefühlte Stunde gedauert und er war dabei durch Gänge gewandert, die er noch nie gesehen hatte und die ihrerseits hunderte, verlockende, staubige Zimmer bereithielten.
Er schüttelt den Kopf, um dies zu vergessen. Vor ihm liegt endlich die Treppe, die ins Wohnzimmer führt. Unten angekommen ruft er nach seiner Mutter. Sie scheint nicht im Haus zu sein. Draußen ist es hell, bereits später Nachmittag. Offenbar hat er lange geschlafen. Hastig durchsucht er den Kühlschrank nach etwas Essbarem, dass er dann noch oben in sein Zimmer mitnehmen will. Am liebsten isst er am PC.
Als er oben ankommt, ist der Computer immer noch nicht ganz hochgefahren. Er hat ihn vor vielen Jahren von seinem Vater bekommen; dieser wiederum hatte ihn aus seinem Büro mitgenommen, als dort neure Rechner bereitgestellt wurden.
Endlich erscheint auf dem Röhrenmonitor der Startbildschirm von Windows D.C., einer Windowsversion, von der er noch nicht gehört- oder gelesen hat. Er vermutet, dass es sich um ein abgespecktes Windows 95 handelt, dass in den späten Neunzigerjahren für Firmen bereitgestellt wurde. Wie auch immer, nicht so wichtig.
Mehr Sorgen macht er sich um seine Hardware. Immer öfter stürzt sein Computer ab und einen neuen zu erlangen scheint unmöglich.
Während der Rechner laut rattert und die Lüfter pfeifen, isst er von seinem mitgebrachten Essen – trockenes Brot mit ein wenig altem Streichkäse. Es dauert lange, bis der Desktop vollständig geladen ist.
Als es endlich soweit ist, startet er das einzige Spiel, dass auf Windows D.C. läuft: Half-Life: Day One. Diese Demoversion des Spieleklassikers spielt er exzessiv, im Schnitt fünf Stunden pro Tag.
Er kennt jeden Winkel des Spiels.
Wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er in der Spielwelt leben.