Obwohl es jetzt so lange nichts von HL zu sehen und zu hören gab, werden noch erstaunlich viele Artikel darüber geschrieben. Kürzlich las ich einen sehr guten, der sich mit einem interessanten Thema befasst: Der Stimmung in den Spielen.
Dazu muss ich ein paar einleitende Worte machen:
Was für mich HL2 zum besten Spiel aller Zeiten gemacht hat, war nicht nur die Grafik, die Physik oder die Story, sondern vor allem auch die Stimmung. Was meine ich mit Stimmung? Die Stimmung eines Spiels bezeichnet für mich die Gesamtheit aus Designmerkmalen in der Story, der Grafik und dem Sound. Man kann dabei zwischen der Grundstimmung und der momentanen Stimmung zu bestimmten Spielabschnitten unterscheiden.
Was HL2 ausgezeichnet hat, war die sehr düstere Grundstimmung: Der Zwangsstaat, die aussterbende Menscheheit, der ausgelaugte Planet. Diese düstere Grundstimmung wurde perfekt von bestimmten situativen Stimmungen illustriert: Der menschenleere Highway 17, das Grau von City 17, erschöpft wirkende Rebellen, düstere Industrieanlagen, zombiverseuchte Städte. Inmitten davon, fast durchgehend auf sich alleine Gestellt, der Spieler.
Grundstimmung und situative Stimmung haben sich also perfekt ergänzt. Es gab auch humorvolle Momente, doch diese waren sorgsam dosiert, sozusagen das Salz in der Suppe, emotionale "warme Inseln", die die Bindung and die NPCs extrem intensiv gemacht haben.
Ich habe es beim Spielen immer nur auf unterbewusster Ebene registriert, bevor ich es in dem verlinkten Artikel las, aber Episode 1 und Episode 2 sind im Hinblick auf diesen entscheidenden Aspekt deutlich anders.
Zuerst eine Betrachtung von Episode 1:
Das Setting ist storybedingt fast dasselbe wie in HL2, nur wirkt es jetzt noch zerstörter. Jedoch bewirkt dies keine düstere Stimmung, eher im Gegenteil: Während in HL2 in City 17 Depression und Unterdrückung herrscht (außer gegen Ende), herrscht in Episode 1 Action und Panik vor. Die Story gibt diese Richtung vor. Jedoch bleibt so das Gefühl, als einzelner gegen eine Übermacht zu kämpfen, auf der Strecke.
Doch das ist nicht alles. Bewusst hat Valve in Episode 1 dem Spieler Alyx zur Seite gestellt und obwohl diese Entscheidung das Gameplay sehr positiv beeinflusst hat und obwohl Alyx wohl eine der besten NPCs aller Zeiten ist, wird so ein zentrales Element der Grundstimmung zerstört; Das Gefühl, alleine zu sein, oder anders ausgedrückt, auf sich alleine gestellt zu sein. Man kann natürlich einwenden, auch dies sei storybedingt, aber man kann nicht in Abrede stellen, dass diese Designentscheidung einen radikalen Stimmungswechsel bewirkt. Egal, wie düster und trostlos eine Szenerie ist - mit Alyx an der Seite wirkt alles einfach anders, wie im echten Leben auch, wenn man Unterstützung an der Seite hat. Man kann diesen Stimmungswechsel natürlich auch begrüßen, aber ich persönlich empfinde diese Einsamkeit als besonderes, stilprägendes Merkmal der Stimmung der HL-Serie. Ich mag Alyx durchaus, aber das eben Beschriebene ist für mich klar ein negativer Eintrag der Entscheidung, sie zur ständigen Begleiterin des Spielers zu machen.
In Episode 2 sind diese Tendenzen noch ausgeprägter und es kommen zwei Aspekte hinzu, die die eingangs beschriebene düstere, einsame Stimmung "killen":
Zunächst ist da das fröhliche, fast schon idyllische Waldsetting. Auch wenn es in Episode 2 Minen und Hölen gibt - ohne verlassene Industrieanlagen mit viel Rost, Beton und Stahl fehlt mir in einem HL einfach etwas. Wenn schon Natur, warum nicht in der Form wie in HL2? Dort gab es auch Außenareale zu sehen, aber die waren konsequent auf gleiche Weise deprimierend, wie die übrigen Areale: Ein austrocknendes, absterbendes Meer mit einem bröckelnden Highway, sowie versuchte, giftige Flüsse. In Episode 2 scheinen diese Einflüsse spurlos an der Natur vorübergegangen zu sein. Auch hier kann man sagen: Die Story erzwingt das. Aber wäre es nicht besser gewesen, die Story so zu entwickeln, dass auch in Episode 2 die Natur eher misshandelt anstatt vital und unberührt wirkt?
Noch mehr als das stört mich allerdings etwas anderes: Episode 2 ist zu lustig.
Was meine ich damit? Man kann es sich am besten am Beispiel zweier Nebenfiguren deutlich machen: Grigs und Sheckley in den Antlionhöhlen. Sie wirken wie Dick und Doof und sind bewusst auf lustig getrimmt. Der Spieler soll sich über ihre Selbstüberschätzung und Sprüche amüstieren und das funktioniert auch. Aber passt das zur Stimmung von Half-Life? Ich finde nicht. Derartiger Humor hatte von Anfang an Platz in Portal, aber die HL Reihe ist in ihren Wurzeln ein sehr ernstes Spiel, das mit Humor sehr sparsam umgeht. Zu der genannten Episode kommt Alyx mit ihren Sprüchen wie "Zombiegrill" etc.
Worauf ich also hinaus will, ist dies: Zwischen HL2 und den Episoden hat ein deutlicher Wechsel der Stimmung stattgefunden, was durch verschiedene Faktoren bewirkt wird. Manche davon, wie der Wechsel des Settings, sind wohl unvermeidlich, aber andere, wie der teilweise aufgesetzt wirkende Humor, hätten bewusst vermieden werden können. Ich habe den Eindruck, dass jene Leute, die für diese "stimmungsschädigenden" Aspekte (wobei hier die eingangs ausgeführte, spezielle Definition von "Stimmung" gilt) verantworlich waren, keinen Wert darauf gelegt haben, die Stimmung der Episoden so dicht wie möglich bei HL2 zu halten.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob der Stimmungswechsel sich eher zufällig oder bewusst ergeben hat, sondern ob er eine gute Entscheidung war. Das hängt sicherlich am persönlichen Geschmack, aber die Erkenntnis, dass eine düsterere Version der Episoden mehr in der Tradition der Serie gestanden hätte, ist eine objektive und unstrittige.